BAföG-Kampagne

Wir haben uns der Kampagne „50 Jahre BAföG – (k)ein Grund zum Feiern“ angeschlossen. Im Rahmen dieser machen wir gemeinsam mit vielen anderen Studierendenverbänden auf die Probleme und unsere Forderungen für das BAföG aufmerksam. Damit möchten wir – auch anlässlich der Bundestagswahl 2021 – im 50. Jahr des BAföG-Bestehens auf eine zeitnahe und umfassende Reformierung hinwirken. Neben verschiedenen Aktionen und Veranstaltungen begleiten wir die Kampagne vor allem auf Social Media. Diese Materialien wollen wir euch hier zur Verfügung stellen:

BAföG Schicksale: die zahlreichen Probleme der Studienfinanzierung

In dieser Reihe zeigen wir euch Studierende und ihre Probleme mit dem BAföG. Damit wollen wir zeigen wie viele unterschiedliche Unzulänglichkeiten das BAföG hat und wie dringend es deswegen grundlegend überarbeitet werden muss.

 Lukas (25) studiert in Freiberg Fahrzeugbau Werkstoffe und Komponenten und sagt: „Der BAföG Antrag war eh schon immer mit großen Unsicherheiten verbunden. Ich wusste nie wie viel ich dieses Semester nun bekomme und wie viel Geld ich damit zur Verfügung habe. Dann kam auch noch die Pandemie hinzu und die Ungewissheit wurde noch größer. Aufgrund langjähriger Gremienarbeit bekam ich zu Beginn der Pandemie bereits Förderung über die Förderungshöchstdauer, und sollte deswegen von der pandemiebedingten Verlängerung ausgeschlossen werden. Es wurde damit begründet, dass ich schon vor der Pandemie in Verzug war und somit kann die weitere Verzögerung nicht nur pandemiebedingt sein. Dafür, dass ich für den Verzug vor der Pandemie eine anerkannte Begründung hatte und sich die Zeit bis zu meinem Abschluss durch Corona natürlich nochmal stärker verzögert hat, interessierte sich niemand. Was heißt das alles für mich? Natürlich habe ich BAföG beantragt. Das Warten auf den Bescheid, die Sorgen und Unsicherheiten um die Bewilligung sind noch größer als ohnehin schon. Schade, dass sich finanzielle Absicherung als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft wie Glücksspiel anfühlt.“

Neben der pandemiebedingten Verlängerung des BAföG Anspruchs für alle, für den wir ständig kämpfen, fordern wir das BAföG von der Regelstudienzeit zu entkoppeln und die durchschnittliche Studiendauer plus zwei Semester als Förderungsdauer anzusetzen. Die Regelstudienzeit kann in vielen Studiengängen ohnehin fast gar nicht oder nur sehr schwer eingehalten werden. Außerdem gibt es gute Gründe länger zu studieren und es grenzt an Schikane jeden einzelnen davon ganz genau und ohne Gewissheit, dass er anerkannt wird nachweisen zu müssen.

Bine (22) studiert in Leipzig Soziale Arbeit und erklärt: „Jedes Jahr – und seit der Pandemie sogar halbjährig – laufe ich meinen Eltern für ihre Einkommensbelege nach. Da mein Vater in Österreich wohnt und der Kontakt schwierig ist, ist das auch jedes Mal eine nie pünktlich zu bewältigende Herausforderung. Die Konsequenz? Zu jedem neuen Berechnungszeitraum erhalte ich zunächst keine Leistungen bis zur Nachreichung der Unterlagen – und das kann ganz gut mal zwei bis drei Monate lang kein BAföG bedeuten. Das ist keine Sicherheit für ein sorgenfreies Studium – vielmehr fühlt es sich nach Schikane an. Ich kann mir kaum ausmalen welche unzumutbare Belastung es für Studis ist, deren Eltern gar nicht kooperieren.
Und auch wenn ich mich sonst glücklich schätzen kann, dass meine Eltern tatsächlich so wenig verdienen, dass ich den Höchstsatz erhalte, muss ich an diesem Privileg doch sehr stark zweifeln. Es erschreckt zutiefst, wenn ich in meinem Studium lerne, dass der Grundbedarf des BAföG mit 427 € unter dem Existenzminimum Hartz IV mit 446 € liegt, welches schon selbst zur Menschenunwürdigkeit tendiert. Dass nicht einmal hierauf Verlass ist und ich als Bezieherin des Höchstsatzes nur zu 8 % der Studis mit diesem Privileg gehöre, lässt doch stark zweifeln, inwieweit das BAföG derzeit Bildungsungerechtigkeit ausgleicht.“

Wir fordern Elternunabhängigkeit im BAföG. Studierende sind selbständige erwachsene Menschen. Die Abhängigkeit des BAföG bringt massive Probleme in der Erbringung der Nachweise, der Höhe der Auszahlung, sowie in der Gesamtzahl der Geförderten mit sich. Mit einem elternunabhängigen BAföG würden deutlich mehr Studis BAföG beziehen, mehr Geld bekommen und könnten sich als junge Menschen unabhängig eine Existenz aufbauen. Denn auch darum sollte es im Studium gehen.

Lutz (26) studiert in Dresden Informatik und erläutert: „Ich komme aus einer Arbeiter*innen-Familie und wir sprechen sehr offen über Geld. Schon seit vielen Jahren unterstütze ich meine Eltern bei ihrer Steuerklärung. Daher weiß ich bis auf den Cent genau, was sie verdienen. Es ist auf jeden Fall ausreichend, um ganz gut zu leben, aber ein wirklich großer finanzieller Spielraum bleibt nicht.
Das BAföG sieht das jedoch ganz anders. Laut letztem Bescheid standen mir z. B. monatlich nur 126 € zu und die verbleibenden 523,65 € sollten meine Eltern zahlen. Das ist so absurd. Mittlerweile können wir gemeinsam am Telefon darüber lachen. Doch zwischendurch war es auch echt hart und belastend. Trotz meines Unterhaltsanspruchs verzichte ich natürlich darauf das Geld von meinen Eltern einzufordern, denn ich weiß ja, dass sie das nicht bzw. nur mit großer Not aufbringen könnten. 
Am Anfang des Studiums sah ich mich deswegen gezwungen einen Studienkredit aufzunehmen. Sich zu verschulden hat mich mental sehr belastet. Daher habe ich mir seit dem 3. Semester mit oft schlecht bezahlten Nebenjobs etwas dazuverdient. Für das Studium habe ich dadurch natürlich viel weniger Zeit.
Mittlerweile bin ich dankbar, eine gut bezahlte Teilzeit-Stelle bekommen zu haben. Dadurch bin ich in der Lage den Kredit einschließlich der über 2000 € Zinsen abzuzahlen. Finanziell abgesichert zu sein und nicht jeden Euro umdrehen zu müssen, ist eine große Erleichterung. Das BAföG hat mir dabei allerdings nicht geholfen.“

Vielen geht es so wie Lutz, dass ihre Eltern angeblich zu viel für eine ausreichende BAföG-Förderung verdienen,  aber aufgrund ihrer finanziellen Situation keine Möglichkeit sehen, die Studis tatsächlich finanziell zu unterstützen.  Deswegen fordern wir Elternunabhängigkeit und außerdem die Einkommensgrenze von derzeit 450€ auf 850€ anzuheben, sodass Studis sich mehr dazu verdienen können.

Delina (20) studiert in Leipzig Medientechnik und schildert: „Ich empfinde den BAföG-Antragsprozess als sehr anstrengend und kompliziert. Vor allem mein letzter Antrag war mit vielen Problemen verbunden. Nicht nur die Beschaffung der Vermögensnachweise nach den gewünschten Anforderungen war schwierig, sondern auch die Kommunikation mit dem BAföGAmt war während der Pandemie nicht gut. Zeitweilig konnte man an keinem Tag der Woche im Büro anrufen. Um eine möglichst nahtlose Weiterförderung bewilligt zu bekommen, habe ich mich früh um den Antrag bemüht. Über E-Mail kamen Antworten sehr langsam und meist wurden meine eigentlichen Fragen gar nicht beantwortet.
Nach einem wochenlangen Prozess wurde mein Antrag endlich bewilligt. Durch die lange Wartezeit war ich einfach froh, wieder Geld zu haben. Leider gab es bald darauf die nächste Überraschung. Die Förderung war beträchtlich weniger als letztes Jahr. Der Grund ist, dass meine Eltern im Jahr 2018 mehr verdient haben als im vorangegangen Jahr. Meine Eltern sind selbstständig und haben damit ein recht wechselhaftes Einkommen von Jahr zu Jahr. Es macht meiner Meinung nach keinen Sinn, dass Einkommensnachweise von vor zwei Jahren bestimmen, wie viel Geld meine Eltern haben sollen, um mich aktuell finanziell zu unterstützen.“

Delinas Beispiel liefert den nächsten Grund dafür, wie wichtig Elternunabhängigkeit im BAföG ist und wie unzulänglich die Ausbildungsfinanzierung besonders während der Pandemiezeit war. Sie zeigt außerdem auf, dass das BAföG zu kompliziert und bürokratisch ist. Um Studis wie Delina etwas Stress zu nehmen und um die komplizierte Antragstellung zu entschlacken sowie die Zeit zur Bewilligung so kurz wie möglich halten zu können, fordern wir eine bundesweit einheitliche E-Antragstellung sowie eine personelle Ausstattung der BAföG-Ämter, die allen Studis eine zeitnahe Bearbeitung der Anträge ermöglicht.