Studie offenbart: Arbeitsbedingungen von studentisch Beschäftigten an Hochschulen grenzen auch in Sachsen an Ausbeutung
Die am Freitag veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeit und Wirtschaft in Bremen wirft ein alarmierendes Bild auf die Arbeitsbedingungen für Studierende an Hochschulen. In Sachsen leiden ca. 8000 studentisch Beschäftigte unter den nun nachgewiesenen prekären Bedingungen. Unter anderem wurde festgestellt, dass studentisch Beschäftigte teils wochenlang unbezahlt arbeiten – in dieser Kategorie ist Sachsen trauriger Spitzenreiter. Neben der bundesweiten gewerkschaftlichen TVStud-Initiative (Website: www.tvstud.de) prangert dies auch der sächsische Ableger an und fordert einen Tarifvertrag und einen Zugang zu Personalvertretungen für Studierende an Hochschulen. Heute Abend um 18 Uhr werden die Ergebnisse online vorgestellt [1]. Die Konferenz Sächsischer Studierendenschaften (KSS) unterstützt die Initiative und fordert auch die sächsische Landesregierung zum schnellen Handeln auf.
Wesentliche Ergebnisse der Studie sind:
- eine überdurchschnittlich häufige Kettenbefristung und sehr kurze Vertragslaufzeiten in Sachsen
- 41,2% der sächsischen Hilfskräfte nehmen nicht den ihnen zustehenden gesetzlichen Mindesturlaub, u.a. weil sie nie über Urlaubsanspruch informiert wurden
- 18% der sächsischen Hilfskräfte müssen Krankheitstage nacharbeiten
- 38,9 % aller bundesweit beschäftigten Hilfskräfte leisten unbezahlte Überstunden
- Sachsen ist Spitzenreiter in der Kategorie der unbezahlten Arbeit vor Vertragsbeginn (17,5% der Befragten haben diese Erfahrung gemacht)
Fazit: Die Nicht-Einhaltung von Arbeitnehmer*innenrechten stellt den Regelfall bei studentisch Beschäftigten an Hochschulen dar und die Arbeitsbedingungen grenzen an Ausbeutung.
Zu den dramatischen Arbeitsbedingungen an sächsischen Hochschulen führt Sabine Giese, Sprecherin der KSS, aus: „Wir appellieren an die CDU-geführten Finanz- und Wissenschaftsministerien sowie an die gesamte Koalition, diese unhaltbaren Zustände so schnell wie möglich zu beenden! Denn die Lösung des nun mit zahlreichen Daten belegten Problems ist genau das, was die Betroffenen seit Jahren fordern: Ein Tarifvertrag und eine studentische Vertretung in Personalräten. Berlin zeigt doch bereits seit Jahrzehnten wie es gehen kann.“ Die erste Gelegenheit für die Landesregierung, etwas zu tun, würde sich bereits diesen Donnerstag, dem 26. Januar, bieten. Denn dann finden die Gespräche der Gewerkschaften mit den Finanzminister*innen über die Arbeitsbedingungen von studentisch Beschäftigten statt.
„Im Arbeitsrecht sagt der Gesetzgeber, dass diese Umstände keineswegs so gehen können, aber an den eigenen staatlichen Hochschulen soll das in Ordnung sein?“, fragt sich Charlotte Blücher, Referentin für studentisch Beschäftigte der KSS und selbst studentisch Beschäftigte an einer sächsischen Hochschule, und ergänzt: „Durch die dramatischen Anstellungsbedingungen, Kettenbefristungen und den geringen Lohn können sich zumeist nur Studierende mit Unterstützung durch das Elternhaus diese Stellen leisten. Studentisch Beschäftigte sind im Vergleich zur restlichen Studierendenschaft häufiger aus Akademiker*innen-Familien und ohne Migrationshintergrund. Vor allem privilegierte Studierende können an den Hochschulen arbeiten, während diese Möglichkeit anderen verwehrt bleibt. Denn die traurige Wahrheit ist, dass wir von einem Arbeitsplatz an der Hochschule allein einfach nicht leben können.“
Hintergründe zu der Studie des Instituts für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen:
https://www.iaw.uni-bremen.de/archiv/mitteilungen/detail?news=88#news88
Das Forschungsprojekt „Jung, akademisch, prekär?“ wird vom Institut Arbeit und Wirtschaft in Kooperation mit ver.di und GEW durchgeführt. Gegenstand des Projektes ist eine bundesweite Beschäftigtenbefragung. Insgesamt wurden im Zeitraum vom 30. Januar 2022 bis zum 22. Juli 2022 11.107 studentische/wissenschaftliche Hilfskräfte und Tutor:innen zu ihren Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitsbedingungen befragt. Es nahmen 982 studentisch Beschäftigte aus Sachsen teil. Die Studie ist damit die bisher umfassendste Erhebung im Feld.
[1] Die Vorstellung und Diskussion der Forschungsergebnisse findet am 24.01. um 18 Uhr online unter folgendem Link statt: https://uni-hamburg.zoom.us/j/63723557140?pwd=dWUzU3hlSjdHV0JNMGVwMGRkVng0Zz09
Die Pressemitteilung ist auch als pdf. abrufbar.