Breites Bündnis der Zivilgesellschaft fordert Landesaufnahmeprogramm für Sachsen
Immer mehr Menschen müssen sich aufgrund multipler Krisen auf die lebensgefährliche Flucht aus ihrer Heimat machen. Es ist Aufgabe von solidarischen und resilienten Gesellschaften, Menschen zu unterstützen, die vor Gewalt, Klimakrise und Krieg fliehen. Ein breites Bündnis aus Vereinen, Wohlfahrtsverbänden, Organisationen, politischen Jugendverbänden und Einzelpersonen fordert deshalb ein Landesaufnahmeprogramm für Sachsen.
„Es ist bereits im Koalitionsvertrag festgehalten, nun muss die sächsische Landesregierung ihr Vorhaben auch in die Tat umsetzen: Sachsen muss Aufnehmen!“, erklärt Juliane Prüfert von der Seebrücke Dresden. Das Bündnis nimmt dabei Bezug auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Aufnahme von mindestens 150 Personen in Fluchtkontexten, die besonders gefährdet sind. Der Koalitionsvertrag nennt dafür einige Beispiele, wie verfolgte Christ*innen sowie Frauen und Kinder aus Nordsyrien und dem Nordirak. „Angesichts der katastrophalen Entwicklungen in Afghanistan und der mangelhaften Umsetzung eines Bundesaufnahmeprogramms Afghanistan sollte die Landesregierung ebenfalls erwägen, diese Personengruppe in einem Landesaufnahmeprogramm zu berücksichtigen“, so Prüfert.
Ein Landesaufnahmeprogramm ermöglicht ‚geregelte‘ Migration
Das Bündnis unterstreicht zudem, dass gerade die sächsische Union an einem Landesaufnahmeprogramm interessiert sein sollte. „Wenn eine Person durch ein solches Landesaufnahmeprogramm in Sachsen bleiben kann, ist das der Idealfall der von der CDU vielfach herbeigesehnten ‚geregelten‘ Migration. Landesaufnahmeprogramme schaffen sichere Fluchtwege. Wir verstehen deshalb nicht, weshalb sich der sächsische Innenminister in den letzten Wochen wiederholt gegen Aufnahmeprogramme des Bundes und der Länder ausgesprochen hat“, erklärt Paula Moser vom Sächsischen Flüchtlingsrat.
Zudem kritisiert das Bündnis eine Hierarchisierung von Geflüchteten, wie es derzeit aus den Innenministerien auf Bundes- und Landesebene zu hören ist: „Wer die Aufnahme von Schutzsuchenden aus nichteuropäischen Kriegsgebieten zu einer Bedrohungslage verzerrt, schafft neue Nährböden für rassistische Gewalt. Viel wichtiger ist es nun, alle Energie auf den Ausbau der Aufnahmekapazitäten im Freistaat zu verwenden“, so Moser.
Aktionstag „Sachsen muss aufnehmen“ am Sonntag, 27. November
Am Sonntag, 27. November 2022, lädt das Bündnis zu Kundgebungen ein. In Dresden ist das Bündnis ab 14 Uhr auf dem Schlossplatz zugange, in Leipzig wird es ab 14 Uhr eine Aktion auf dem Richard-Wagner-Platz geben. Updates zu den Aktionen gibt es auf Instagram, Facebook und Twitter.
Auch die Sächsischen Studierendenschaften unterstreichen die Forderung: „Wir haben in diesem Jahr bereits für Drittstaatsangehörige Geflüchtete aus der Ukraine ein Landesaufnahmeprogramm in Sachsen gefordert – leider ohne Resonanz. Es gibt so viele Menschen, die hier gern ein Studium aufnehmen und auch als dringend benötigte Fachkräfte in Sachsen bleiben wollen. Die Sächsischen Hochschulen haben sich bereits sehr offen hierfür gezeigt. Was fehlt, sind die politischen Rahmenbedingungen, die endlich geschaffen werden müssen!“, betont Sabine Giese, Sprecherin der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften.
Hintergrund: Was ist ein Landesaufnahmeprogramm?
Normalerweise werden den Bundesländern vom Bund eine bestimmte Anzahl an geflüchteten Personen für die Aufnahme zugeteilt. Diese Zuteilung läuft über den sogenannten „Königsteiner Schlüssel“. Doch einzelne Bundesländer können darüber hinaus auch noch mehr Menschen aufnehmen. Diese Bereitschaft, noch mehr Menschen aufzunehmen, wird im politischen Sprech „Landesaufnahmeprogramm“ genannt. Rechtliche Grundlage dafür ist § 23 I AufenthG. Zur tatsächlichen Umsetzung bedarf es der Erlaubnis des Bundesinnenministeriums. Zuletzt hatte Faesers Haus die Blockadehaltung ihres Vorgängers Seehofer aufgegeben und den beantragten Landesaufnahmeprogrammen zugestimmt.